Dieser Artikel stand am 07.09.2014 auf Spiegel Online: Hochschule der Arbeitsagentur: Wir studieren Hartz IV
Beratungskompetenz bei den neuen Jobvermittlern?
Nur um Missverständnissen vorzubeugen: Es geht nicht um ein Berufsförderungsprogramm für ALG-II-Empfänger, die dann nach erfolgreich abgelegter Prüfung einen passgenauen Arbeitsplatz bekommen.
Wir haben es hier mit einem neuen arbeitsagentur-eigenen Studiengang zu tun, der Menschen dazu befähigen soll, Menschen die arbeitslos sind, zu beraten und zu unterstützen. Das hört sich erst einmal gut an. Ob es auch gut wird, bleibt abzuwarten.
Was mich an diesem Artikel jedoch stutzig macht, ist das Beispiel der Maria Körner. „Sie will mit Menschen arbeiten, in einem Job, der wirklich zu ihr passt.“ Man möchte ihr wünschen dass das auch klappt. Aber das, was sie sagt, wollen alle. Einen Job der zu ihnen passt. Nun ist genau das auch mein Anliegen in Einzelcoachings, in denen Menschen sich beruflich neu orientieren möchten: Tätigkeitsfelder zu finden, die zu den Neigungen und Fähigkeiten, Interessen und Persönlichkeiten dieser Menschen passen.
In meiner Beratungstätigkeit berate ich immer wieder auch Angestellte der Arbeitsagenturen und der Jobcenter, die aufgrund der dortigen Arbeitsbedingungen erschöpft sind, ausgebrannt, von Konflikten mit Vorgesetzen und nichtführenden Führungskräften schwer in ihrem Selbstvertrauen geknickt sind, und nun ihre entstandenen Angststörungen und Depressionen behandeln lassen. Was ist also innerhalb der Bundesagentur für Arbeit los?
Die Vermittler haben heute und in Zukunft eine große Verantwortung. Sie müss(t)en jeden einzelnen Menschen in eine Stelle oder eine Weiterbildung („Maßnahme“) vermitteln, damit die Menschen wieder Perspektiven haben – und damit die Arbeitslosenzahlen sinken.
Und haben bald selbst keine Perspektive mehr.
Sie haben einen ganz konkreten Vermittlungsdruck, in Zahlen. Dem halten immer weniger Angestellte der BA stand. Wie soll das auch gehen, wenn da ein „Kunde“ weinend am Beratungstisch zusammenbricht, weil er vor der menschenverachtenden Kündigung nicht nur jahrelang gemobbt wurde, sein Selbstvertrauen am Boden zerstört ist, er aber eine fünfköpfige Familie zu ernähren hat und sein Haus nicht mehr abbezahlen kann? Solche Menschen (und, lieber Spiegel-Online, nicht „Fälle“ – jeder von Ihnen kann jederzeit auch solch ein „Fall“ werden) brauchen Zeit, Selbstkompetenz und ein Gegenüber, das nicht selbst auch noch unter extremem Leistungsdruck steht. Doch wird vielerorts in unserer schönen Republik erlebt, dass diese Zeit nicht da ist. Kein Platz für Leben, für die Schwierigkeiten des Alltags, nur für die Zahlen. Wer nur Zahlen im Kopf hat, kann nicht gut und qualitativ wertvoll beraten.
Ja, es ist schwieriger und erfordert mehr von einem als Berater, wenn ein Klient nicht mehr weiter weiß. Wenn er Emotionen zeigt und loswerden will, was ihn belastet, weil es einfach dazu gehört, zu erklären, wie alles gekommen ist, und warum es so schwierig ist, sich mit einer Depression selbstbewusst zu bewerben und zu präsentieren. Aber wenn diese Dinge nicht „mitgenommen“ werden in die Beratung der Arbeitsvermittlung, wird niemand als Berater erfolgreich sein. Und die „Kunden“ können nicht vermittelt werden. Die Widerstände werden größer, und der Auftrag der Arbeitsvermittlung endet in Enttäuschung und Frust. Auf beiden Seiten.
Ein extra Studiengang für angehende ArbeitsvermittlerInnen ist also sicher ein guter Ansatz. Ich hoffe nur, dass auch die sozialen, emotionalen und psychologischen Kompetenzen, also die Kompetenzen des Mensch-Seins, in diesen Studiengang einbezogen und bei den Teilnehmenden entsprechend geschult werden – praxisnah.
Wer keine Selbstkompetenz hat, dem fehlt grundlegende Beratungskompetenz. Es ist wichtig, zu sich selbst einen guten Kontakt zu haben, damit man einen guten Kontakt zum Klienten aufbauen kann. Dieser gute Kontakt ist die allerwichtigste Voraussetzung für eine gelungene Beratung, das gilt auch für jedes einzelne Gespräch der ArbeitsvermittlerInnen. Beraten ist nicht einfach nur Informationsweitergabe. Es ist Beziehungsgestaltung. Dazu gehört eine gute Beziehung zu sich selbst. Und dann die Fähigkeit, eine Beziehung im Sinne einer guten Gesprächsgrundlage zum Klienten aufzubauen. Authentisch, wertschätzend, und inhaltlich kompetent. Das will gelernt sein. Und dazu braucht es Menschen, die nicht einfach nur „helfen“ wollen, sondern die sich selbst weiterentwickeln wollen. Denn Beratung macht immer etwas mit einem selbst. Mit der Persönlichkeit, den Fähigkeiten, der Selbstkompetenz.
Aus meiner Sicht sollten die Gelder nicht (nur) in einen Studiengang fließen, sondern in selbstkompetente Führungskräfte bei den Jobcentern, in Supervision für die Arbeitsvermittler und Teams vor Ort, damit all die schwierigen Situationen mit denen Menschen dorthin kommen, sinnvoll reflektiert und lösungsorientiert angegangen werden können.
Möge es Maria Körner gelingen. Sie darf gut aufpassen. wenn sie ihrem Wunsch „Menschen zu helfen“, irgendwann als frischgebackene motivierte Jobvermittlerin nachkommt. Damit sie nicht trotz dieses vorbereitenden Studienganges in dieselben Mühlen gerät und krank wird, wie schon viele vor ihr. Denn ein Studiengang mag zwar das Image einer Agentur nach außen aufpolieren, aber vor allem braucht es wertschätzende Strukturen, die den Menschen, die dort b
eraten und vermitteln sollen, eine erfolgreiche Vermittlungsarbeit überhaupt ermöglichen.
Barbara Hoffmann
Systemischer Coach, Beraterin