Positives in der Krise?

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In der Tageszeitung „Neue Westfälische“ für die Region Enger/Spenge wurde am 31.03.2020 folgender Artikel veröffentlicht.

Enger. Der Coronavirus geht alle an – weltweit. Für die einen sind dessen Ausbreitung und die Unsicherheit der derzeitigen Lebenssituation beängstigend. Andere Menschen sehen in der Krise auch Chancen. „Das kommt auch auf den jeweiligen Typ an“, sagt Barbara Hoffmann, Systemischer Coach und Beraterin. Aber: „Gedanken sind steuerbar“, weiß die Engeranerin und kennt Tipps, die Ungewissheit zu überwinden. Sie ist sicher: „Krisen haben auch Positives.“

Die eigenen Gedanken lenken

Gerade in schwierigen Situationen sei es nicht einfach, das Positive zu sehen, sagt sie. Manche neigen dazu, so ihre Erfahrung, „dass sie oft nur das Belastende und Nervende sehen.“ Gerade dann sei es wichtig, in sich selbst hinein zu hören und zu schauen: Was tut mit heute gut, welche schönen Sachen oder Begegnungen kann dieser Tag bringen? „Man kann sich auch beim Einkauf mit zwei Meter Abstand mit anderen nett unterhalten“, sagt sie.

Die Corona-Welle könne der einzelne kaum beeinflussen. „Ich kann die derzeit gebotene Isolation und hygienische Regeln einhalten, aber damit halte ich allein die Krise nicht auf.“ Es mache keinen Sinn, gegen diese Vorgaben zu rebellieren. „Es ist für mich besser, wenn ich sie vielmehr akzeptiere – Akzeptanz macht zufriedener als Widerstand“, betont sie. Der einzelne, so ihr Rat, solle vielmehr auch erkennen, wofür er dankbar sein und worüber er sich freuen könne. „Derzeit ist vielleicht vieles anders als gewohnt – aber anders kann auch gut sein.“

Erinnerungen an Tschernobyl

Eine Bekannte habe sie kürzlich an die Tschernobyl-Katastrophe erinnert, als im Jahr 1986 eine explodierter Reaktor in der Ukraine alles veränderte und Landstriche bis weit nach Europa hinein verstrahlt wurden. „Damals sollten die Menschen – auch in Deutschland – nicht raus gehen, mussten auf ihr Essen achten, Kinder sollten nicht im Freien spielen. Dagegen ist die jetzige Situation doch eher harmlos. Man hat doch vielmehr Möglichkeiten als damals. Heute ist ein Spaziergang doch eine gute gesundheitliche und gesellschaftspolitische Maßnahme“, sagt sie schmunzelnd.

Jeder solle sich, so ihr Tipp, auf das Hier und Jetzt besinnen und lebenswerte Dinge im Auge behalten. „Viele Menschen haben schon schwere Krankheiten gehabt und sind wieder gesund geworden. Daran können sie sich orientieren und Mut fassen. Und den Glauben behalten, dass man viele Herausforderungen bewältigen kann.“

Das Ziel solle lauten, gut zu sich selbst zu sein. „Hilfreich ist es für viele, sich auf das Miteinander zu besinnen“, weiß sie. „Denn die Familie, ein langer Spaziergang und ein schöner Frühlingstag geben Kraft. Wer für sich selbst die Bedeutung solcher Dinge als wichtig erkennt, der wird innerlich klarer, Themen des Alltags kriegen eine andere Gewichtung“, so ihre Erfahrung. „Für viele sind soziale Kontakte wichtig – der Austausch geht derzeit oft nur im Chat, jedenfalls nicht in der Kneipe“, sagt sie lachend. „Aber auch beim Skypen kann man sich sehen. Manche telefonierten wieder richtig gern. Die technischen Möglichkeiten geben heute viel her.“

Lebenserfahrungen nutzen

Man könne auch gemachte Erfahrungen positiv nutzen. „Aus dem Rucksack der Lebenserfahrungen kann man sicher auch jetzt Lösungsmöglichkeiten angeln, um schwere Zeiten zu durchstehen und negative Gedankenspiralen zu durchbrechen.“ Derzeit sei die Lebenssituation recht surreal. „Aber wie alles andere im Leben geht auch diese Zeit vorüber – es ist eine Phase.“ Das sei ein Mantra, das sich jeder immer wieder vor Augen führen könne. Entlastend sei es, sich einen Plan zurecht zu legen für den „schlimmsten Fall“, sich vorbereitet zu fühlen. „Der Mensch kann aus jeder Situation lernen und etwas Positives mitnehmen, was wichtig für sein Leben. Dann entwickelt er auf Dauer ein anderes Bewusstsein für den Alltag.“

Persönliche Anmerkung:

Dieser Artikel gibt lediglich einen Teil meiner Haltung zu diesem Thema wieder.
Die Einzeltragödien der Coronakrise, wie Verluste, Ängste, existenzielle Sorgen u.v.m. bleiben Tragödien und sind durch positive Gedanken nicht abzumildern.
Ich empfehle immer, ungute Gefühle auf jeden Fall wahrzunehmen und nicht wegzuignorieren. Sie kommen wieder. Erst recht bei vorhandenen psychischen Erkrankungen, durch die das Denken und Erleben in der Regel verändert ist.
Mit meinen Empfehlungen in diesem Artikel richte ich mich an Personen, die ohne konkrete Krisensituation sich dennoch viele Gedanken um die derzeitige Situation und die Entwicklungen machen.
Die im Artikel veröffentlichten Strategien und Methoden der Bewältigung stellen hierbei nur einen Teil der vielfältigen Bewältigungsmöglichkeiten dar.

Wie ich für ein paar Zigaretten die Sonne bekam

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… oder wie die kleinen Dinge Spuren hinterlassen können

Es war auf dem Kirschblütenfest in Enger 2018. Das Kirschblütenfest ist eine kleine aber feine Frühlingskirmes der Stadt Enger im Kreis Herford.

Ich war mit meiner Familie dort (Ehefreund und gemeinsame Tochter), und wir hatten vor, viel Spaß zu haben.

Im Twister juchzte ich lauter als unsere Tochter, die eher darauf bedacht war, cool zu wirken (mit 7 Jahren, nee ist klar). Im Autoscooter durfte sie, neben meinem Mann sitzend, ans Lenkrad. Sie fuhren viermal und mit konzentriert in den Mundwinkel gesteckter Zunge, fuhr sie sicher und geschickt durch die Lücken, und ging gelassen und voller Spaß damit um, wenn sie gerammt wurden oder es mal kurz wegen „Stau“ in einer Ecke nicht weiterging.

In einem Simulationsfahrgeschäft ging es durch eine gruselige Mine. Man schaute mit 8 anderen Menschen in einem wohnzimmergroßen Kasten auf eine kleine Leinwand, der sich, je nach Szene, gefährlich neigte, stark ruckelte und nach vorne oder hinten kippte. Ich, ganz Glucke, wollte meinen Arm um meine Tochter legen, damit sie von den heftigen Bewegungen des Kastens in dem wir saßen, nicht von ihrer Sitzbank kippte, aber sie starrte gebannt und grinsend auf die Leinwand und genoss sichtlich das Erlebnis. Klasse war es!

Im Atelier „Andrea malt“, das einer sehr lieben, mir bekannten Unternehmerin gehört, konnten wir uns kreativ betätigen und für ein von ihr geplantes Buch mit geplanten mindestens 40 kreativen Seiten, malen oder schreiben.

Schaufenster Atelier „Andrea malt“, 29.04.2018

Mein Mann und unsere Tochter malten sehr lebendige Kreationen, ich schrieb ein zweiseitiges Gedicht. Was für eine Freude – in dem ganzen Trubel zu schauen, was das eigene Herz gerade ausdrücken möchte.

Auch auf einem Trampolin mit Gurt konnte unsere Tochter  so hoch hüpfen wie es auf dem Gartentrampolin nicht möglich ist, und mehrere Rückwärtssaltos präsentieren, ohne das jemals geübt zu haben.

Und da nahm es seinen Lauf
Während sie so hüpfte, nahm ich einen ausgeprägten Jieper nach einer Zigarette bei mir wahr. Ich hatte meine Zigaretten jedoch zuhause liegen lassen, in der Annahme, dafür auf dem Kirschblütenfest überhaupt keine Gelegenheit zu haben. Da ich nicht so viel rauche, ging ich davon aus, einige Stunden sehr gut aushalten zu können. Aber wie es immer genau dann regnet wenn man gerade keinen Schirm dabei hat, kam der Schmacht natürlich während unsere Tochter ihre Saltos hinlegte.

Mein Mann war so herzig und schnorrte bei einem anderen Besucher eine Zigarette für mich ab. Der Gute. Ich stellte mich also an den Rand des Geschehens, um mit dem Rauch mein Umfeld möglichst wenig zu belästigen.

Ich stand an einer Reihe von Heuballen, auf denen ein Aussteller seine Gartenaccessoires aufgebaut und drapiert hatte. Handgeschmiedete Eisenfiguren an Eisenstangen, die man ins Blumenbeet oder einen größeren Topf stecken kann. Sonnen, Blumen, Vögel, sowas eben.

Diese Aufbauten im Rücken genoss ich den Blick auf Tochter, Getümmel, Mann und Freunde, die wir inzwischen getroffen hatten.

Plötzlich wurde ich von hinten angesprochen.
„Guten Tag, darf ich Sie gerade aufmerksam machen? Sie stehen direkt an den Heuballen, nicht dass Sie gleich einen warmen Hintern bekommen, wegen Ihrer Zigarette.“

Ich drehte mich um, und sah einen freundlich lächelnden Mann um die 60. Wir kamen in ein lockeres Gespräch, in dem wir die von mir bereits wahrgenommene Gefahr eines Brandes erörterten, und unterhielten uns weiterhin über die Produkte dort, bei denen er „nur“ den Vertrieb mache, aber ein Freund würde sie herstellen, und er sei auch auf der Landesgartenschau in Bad Iburg dieses Jahr und so weiter.

Er fragte mich schließlich, ob er wohl eine Zigarette von mir bekommen könne. Er komme nicht weg bis zum Abend und habe keine mehr, ob ich ihm wohl eine geben würde. Ich lachte und sagte, dass ich meine auch nur jemand anderem abgeschnorrt hätte, nicht einmal selbst sondern durch meinen Mann, und ihm sehr gern eine abgeben würde, aber ich hätte leider selbst keine dabei. Wir lachten gemeinsam und ich versprach, wenn ich noch an Zigaretten kommen würde, dann nochmal vorbeizukommen.

Wir beendeten das Gespräch, weil meine Familie und unsere Freunde schon weitergegangen waren zum nächsten Fahrgeschäft.
Ich glaube, dass er davon ausging, dass es ein Lippenbekenntnis von mir war, nochmal vorbeizukommen.

So kann es gehen…
Weil es einfach ein netter Kontakt war, so wie ich es aus Irland oder Schottland kenne, wo man das meint was man sagt, und auch ohne Handschlag, ganz unbürokratisch, Verbindlichkeit lebt, nahm ich mir vor, dass ich ihm, egal woher, noch einen Vorrat vorbeibringen würde, der bis zum Abend reichen würde.

Ich folgte Familie und Freunden, und nach kurzer Zeit war auch für uns der Kirmesnachmittag beendet. Auf der Heimfahrt informierte ich meinen Ehefreund, dass ich gern nochmal losfahren wolle um dem Mann einfach noch ein paar Zigaretten zu bringen. Mein Mann kennt meine gern mal etwas untypischen Ideen und Aktionen schon, und wusste ja auch, dass er mir vertrauen kann.

Ich steckte zuhause also eine halbvolle Schachtel Zigaretten ein und fuhr nochmal zum Kirschblütenfest, es war ja quasi um die Ecke.
Innerlich grinsend ging ich zu dem Platz, an dem das Trampolin und der Angebotsbereich der Gartenaccessoires standen.

Als der Mann (ich weiß seinen Namen nicht) mich erblickte und wiedererkannte, gab ich ihm die Schachtel mit den 7-8 Zigaretten und sagte, dass die hoffentlich bis zu seinem Feierabend reichen würden und er sie hoffentlich auch einigermaßen möge.
Und – yes – er war total von der Rolle!

Er bedankte sich ein wenig fassungslos, rief: „Sie sind ja ein Engel!“, hatte seine Fassung aber schnell wieder, als ich sagte: „Danke, das weiß ich. Es muss schließlich auch kleine Wunder im Alltag geben.“

Die Sonne
Ich bekam eine „rostige Sonne am Stiel“ zum Dank, für unseren Garten. Damit für mich immer die Sonne scheine.
Ich sagte zwar, dass ich ihm einfach so aus lauter Lebensfreude die Zigaretten habe schenken wollen, aber ich glaube, ich hätte mich auch nicht abbringen lassen, einem lieben Menschen etwas von mir „zurück“ schenken zu wollen.

Ja, und so kam ich auf dem Kirschblütenfest Enger einfach so zu einer wunderschönen rostigen Sonne, die mich nun immer daran erinnern wird, dass es nicht weh tut, sondern im Gegenteil Spuren der Menschlichkeit hinterlässt, wenn man einfach mal spontan eine freundliche Geste vom Stapel lässt.

Denn jede Geste der Menschlichkeit zählt. Ob zwischen Freunden oder Fremden.
Und…
„Wenn viele kleine Menschen an vielen kleinen Orten viele kleine Dinge tun, können sie das Gesicht der Welt verändern.“ (aus Afrika)