Wahrnehmung oder Wie man das Kopfkino ausbekommt

Hervorgehoben

Wahres über die Wahrnehmung

oder

Wie man das Kopfkino ausbekommt

Wir halten das für WAHR, was wir WAHR-NEHMEN. Klingt doch einfach, oder? Wir machen es aber gern kompliziert. Wäre ja sonst auch zu einfach. ;)

Wahrnehmung heißt Wahrnehmung, weil wir das was wir sehen/ hören usw., für real halten. Für „wahr“!

Wahrnehmung – was ist das?
Eine Wahrnehmung ist… etwas viel Grundlegenderes als eine Meinung oder Haltung. Wir nehmen wahr, was wir mit den Sinnen erleben können. Wir können Dinge sehen, fühlen, riechen, hören, schmecken. Wobei das fühlen sich auf eine kinästhetische Empfindung bezieht, aber auch auf eine emotionale Empfindung. All das ist Wahrnehmung.

Blickwinkel
Jeder von uns sieht die Welt aus seiner eigenen Perspektive. Unterschiedliche Blickwinkel erzeugen unterschiedliche Wahrnehmungen: Von der einen Seite beleuchtet, wirft ein Zylinder einen kreisförmigen Schatten, und von der anderen Seite beleuchtet, wirft er einen rechteckigen Schatten. Es kommt also immer auf die Perspektive an, von der aus wir die Dinge betrachten. Auch das haben wir schonmal gehört. Woraus wir schließen können, dass das wichtig sein könnte, um eine andere Haltung zum Erlebten einzunehmen.

Interessante Geschichte
Im Gleichnis „Die blinden Männer und der Elefant“ untersucht eine Gruppe von Blinden – oder von Männern in völliger Dunkelheit – einen Elefanten, um zu begreifen, worum es sich bei diesem Tier handelt. Jeder untersucht einen anderen Körperteil (aber jeder nur einen Teil), wie zum Beispiel die Flanke oder einen Stoßzahn. Dann vergleichen sie ihre Erfahrungen untereinander und stellen fest, dass jede individuelle Erfahrung zu ihrer eigenen, vollständig unterschiedlichen Schlussfolgerung führt.

Selbst-/ Fremdwahrnehmung
Ist es Ihnen auch schon so gegangen, dass Sie ein Feedback von außen über sich selbst bekommen haben, was so gar nicht Ihrer Selbstwahrnehmung entsprach?
Ist doch interessant, auch hier waren Interpretationen und Annahmen über Sie am Werk. Schauen Sie ganz in Ruhe hin, was Sie davon annehmen können und möchten. Auch das Feedback hat gaaanz viel mit dem Feedbackgeber und seiner inneren Welt zu tun! ;)

Dialog und Deeskalation
Dialog findet immer dann statt, wenn zwei Teile miteinander im Austausch auf Augenhöhe sind. Das können zwei Personen sein, die sich miteinander über etwas Bestimmtes unterhalten. Es können auch innere Anteile sein, die miteinander im Austausch sind. Diese sind nicht immer miteinander auf Augenhöhe. ;) Wie nett, sollten Sie an dieser Stelle mimisch reagieren.

Denn wo…
… wirklich Dialog stattfindet
… beide Seiten ihre berechtigten Gedanken ausdrücken dürfen
… jede Haltung erst einmal grundlegend Wertschätzung erfährt,
… wir mit wirklich offenen Sinnen wahrnehmen, was die jeweiligen Anteile ausdrücken wollen,
… Offenheit für die jeweiligen Emotionen dies jeweils anderen besteht,

…da gelingt auch Deeskalation.
Ich glaube, das wäre einen extra Blogartikel wert – gute Idee eigentlich.
Aber zunächst zurück zum Thema Wahrnehmung.

Gewohnheitstiere
Wir haben es uns zur Gewohnheit gemacht, Erlebtes/ Wahrgenommenes zu bewerten und mit Interpretationen anzureichern. Diese Interpretationen sind nicht immer „wahr“. Es sind erst einmal nur Annahmen darüber, wie das Erlebte zu bewerten ist. Mehr nicht. Meist überprüfen wir diese nicht einmal mehr, sondern gehen davon aus, dass unsere Annahme/ Interpretation die einzig Wahre ist. Warum eigentlich?

Weniger interpretieren, mehr wahrnehmen!
Nehmen wir die Bewertungen raus, und kehren wieder zurück zur reinen Wahrnehmung. Einfach zu dem, was wir sehen/ hören/ riechen/ schmecken/ fühlen [emotional/ haptisch]. Dann kommen wir der Wahr-heit hautnah. Dann sehen und erleben wir wieder, was wirklich IST. Was wir sehen, hören, fühlen, riechen oder schmecken. Treten wir DANN einen Schritt zurück, sprechen aus was wir da wahrgenommen haben. Und geben gut darauf acht, ob da nicht doch eine Interpretation versteckt sein könnte. Erst wenn wir das Erlebte auf das, was wir beschreiben können, „deskriptiv heruntergebrochen“ haben, dann können wir schauen, ob (!) und wenn ja, wie wir das Wahrgenommene interpretieren wollen (gut/ schlecht/ nervig/ lustig/ hinderlich/ hilfreich, u.v.m.).
Noch besser ist jedoch folgendes:

Kopfkino aus
Wenn wir die Bewertungen rausnehmen und nur noch wahrnehmen was wir mit unseren Sinnen erleben können, wird es friedvoller, müssen wir nicht mehr kämpfen. Wir gewinnen Distanz zum Erlebten.

…endlich!
Wir werden gelassener, unabhängiger, freier! Weil wir mehr bei uns selbst ankommen. Sobald wir wissen, dass unsere Wahrnehmung getrennt von Bewertungen und Annahmen steht, können wir viel bewusster wahrnehmen, was IST, und noch einmal überlegen, ob und wie wir das Erlebte bewerten wollen. Oder ob es einfach das ist, was es ist. Eine Situation, eine Äußerung, ein Mensch, der irgendetwas sagt. Was wiederum nichts über uns, oder gar über unseren Wert als Mensch aussagen muss. Es ist dann einfach nur noch was es ist. Etwas, das wir wahrnehmen. Worüber wir dann anschließend bewusst entscheiden können, wieviel davon wirklich mit uns selbst zu tun hat.
Ist doch toll, oder? Glauben Sie mir, ich habe viel Kopfkino durch, es war nicht schön und nicht einfach, aber ich bin jetzt viel besser darin, die Dinge im positiven Sinn zu ent-werten, oder auch umzubewerten. In meinem Buch „Gedankentausch“ habe ich es dann beschrieben wie es gehen kann.

Kopfkino aus? Gangschaltung auf „Wahrnehmung“ runtergeschaltet? Neugierig geworden, wie es geht?
Wenn Sie wirksame mentale Strategien kennenlernen möchten, wie Sie mehr wahrnehmen und weniger bewerten, um gelassener zu werden, einfach melden!

Herzliche Grüße und eine gute Zeit,

Barbara Hoffmann
Systemischer Coach

Beratungskompetenz bei der Bundesagentur

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Dieser Artikel stand am 07.09.2014 auf Spiegel Online: Hochschule der Arbeitsagentur: Wir studieren Hartz IV

Krasimira Nevenova, Fotolia.com

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Beratungskompetenz bei den neuen Jobvermittlern?

Nur um Missverständnissen vorzubeugen: Es geht nicht um ein Berufsförderungsprogramm für ALG-II-Empfänger, die dann nach erfolgreich abgelegter Prüfung einen passgenauen Arbeitsplatz bekommen.

Wir haben es hier mit einem neuen arbeitsagentur-eigenen Studiengang zu tun, der Menschen dazu befähigen soll, Menschen die arbeitslos sind, zu beraten und zu unterstützen. Das hört sich erst einmal gut an. Ob es auch gut wird, bleibt abzuwarten.

Was mich an diesem Artikel jedoch stutzig macht, ist das Beispiel der Maria Körner. „Sie will mit Menschen arbeiten, in einem Job, der wirklich zu ihr passt.“ Man möchte ihr wünschen dass das auch klappt. Aber das, was sie sagt, wollen alle. Einen Job der zu ihnen passt. Nun ist genau das auch mein Anliegen in Einzelcoachings, in denen Menschen sich beruflich neu orientieren möchten: Tätigkeitsfelder zu finden, die zu den Neigungen und Fähigkeiten, Interessen und Persönlichkeiten dieser Menschen passen.

In meiner Beratungstätigkeit berate ich immer wieder auch Angestellte der Arbeitsagenturen und der Jobcenter, die aufgrund der dortigen Arbeitsbedingungen erschöpft sind, ausgebrannt, von Konflikten mit Vorgesetzen und nichtführenden Führungskräften schwer in ihrem Selbstvertrauen geknickt sind, und nun ihre entstandenen Angststörungen und Depressionen behandeln lassen. Was ist also innerhalb der Bundesagentur für Arbeit los?

Die Vermittler haben heute und in Zukunft eine große Verantwortung. Sie müss(t)en jeden einzelnen Menschen in eine Stelle oder eine Weiterbildung („Maßnahme“) vermitteln, damit die Menschen wieder Perspektiven haben – und damit die Arbeitslosenzahlen sinken.
Und haben bald selbst keine Perspektive mehr.

Sie haben einen ganz konkreten Vermittlungsdruck, in Zahlen. Dem halten immer weniger Angestellte der BA stand. Wie soll das auch gehen, wenn da ein „Kunde“ weinend am Beratungstisch zusammenbricht, weil er vor der menschenverachtenden Kündigung nicht nur jahrelang gemobbt wurde, sein Selbstvertrauen am Boden zerstört ist, er aber eine fünfköpfige Familie zu ernähren hat und sein Haus nicht mehr abbezahlen kann? Solche Menschen (und, lieber Spiegel-Online, nicht „Fälle“ – jeder von Ihnen kann jederzeit auch solch ein „Fall“ werden) brauchen Zeit, Selbstkompetenz und ein Gegenüber, das nicht selbst auch noch unter extremem Leistungsdruck steht. Doch wird vielerorts in unserer schönen Republik erlebt, dass diese Zeit nicht da ist. Kein Platz für Leben, für die Schwierigkeiten des Alltags, nur für die Zahlen. Wer nur Zahlen im Kopf hat, kann nicht gut und qualitativ wertvoll beraten.

Ja, es ist schwieriger und erfordert mehr von einem als Berater, wenn ein Klient nicht mehr weiter weiß. Wenn er Emotionen zeigt und loswerden will, was ihn belastet, weil es einfach dazu gehört, zu erklären, wie alles gekommen ist, und warum es so schwierig ist, sich mit einer Depression selbstbewusst zu bewerben und zu präsentieren. Aber wenn diese Dinge nicht „mitgenommen“ werden in die Beratung der Arbeitsvermittlung, wird niemand als Berater erfolgreich sein. Und die „Kunden“ können nicht vermittelt werden. Die Widerstände werden größer, und der Auftrag der Arbeitsvermittlung endet in Enttäuschung und Frust. Auf beiden Seiten.

Ein extra Studiengang für angehende ArbeitsvermittlerInnen ist also sicher ein guter Ansatz. Ich hoffe nur, dass auch die sozialen, emotionalen und psychologischen Kompetenzen, also die Kompetenzen des Mensch-Seins, in diesen Studiengang einbezogen und bei den Teilnehmenden entsprechend geschult werden – praxisnah.

Wer keine Selbstkompetenz hat, dem fehlt grundlegende Beratungskompetenz. Es ist wichtig, zu sich selbst einen guten Kontakt zu haben, damit man einen guten Kontakt zum Klienten aufbauen kann. Dieser gute Kontakt ist die allerwichtigste Voraussetzung für eine gelungene Beratung, das gilt auch für jedes einzelne Gespräch der ArbeitsvermittlerInnen. Beraten ist nicht einfach nur Informationsweitergabe. Es ist Beziehungsgestaltung. Dazu gehört eine gute Beziehung zu sich selbst. Und dann die Fähigkeit, eine Beziehung im Sinne einer guten Gesprächsgrundlage zum Klienten aufzubauen. Authentisch, wertschätzend, und inhaltlich kompetent. Das will gelernt sein. Und dazu braucht es Menschen, die nicht einfach nur „helfen“ wollen, sondern die sich selbst weiterentwickeln wollen. Denn Beratung macht immer etwas mit einem selbst. Mit der Persönlichkeit, den Fähigkeiten, der Selbstkompetenz.

Aus meiner Sicht sollten die Gelder nicht (nur) in einen Studiengang fließen, sondern in selbstkompetente Führungskräfte bei den Jobcentern, in Supervision für die Arbeitsvermittler und Teams vor Ort, damit all die schwierigen Situationen mit denen Menschen dorthin kommen, sinnvoll reflektiert und lösungsorientiert angegangen werden können.

Möge es Maria Körner gelingen. Sie darf gut aufpassen. wenn sie ihrem Wunsch „Menschen zu helfen“, irgendwann als frischgebackene motivierte Jobvermittlerin nachkommt. Damit sie nicht trotz dieses vorbereitenden Studienganges in dieselben Mühlen gerät und krank wird, wie schon viele vor ihr. Denn ein Studiengang mag zwar das Image einer Agentur nach außen aufpolieren, aber vor allem braucht es wertschätzende Strukturen, die den Menschen, die dort b

eraten und vermitteln sollen, eine erfolgreiche Vermittlungsarbeit überhaupt ermöglichen.

Barbara Hoffmann
Systemischer Coach, Beraterin