Kürzlich wurde ich vom Online- und Printmagazin „Soul Sister“ zum Thema Reframing interviewt. Da ich mich ja seit langer Zeit mit Sinn und Unsinn „positiver“ bzw. hilfreicher Gedanken beschäftige, freute ich mich sehr über das Interesse und konnte Rede und Antwort stehen. Für all diejenigen, die überlegen, ob diese Methode aus dem NLP (Neurolinguistisches Programmieren) für ihr Denken und Bewerten von Erlebtem hilfreich sein könnte, veröffentliche hier mit freundlicher Genehmigung des Magazins, das Interview.
Viel Freude damit! – Und bei Fragen gern jederzeit melden! ;-)
Wenn Sie es einmal in Ihren eigenen Worten beschreiben: Was bedeutet Reframing?
Reframing bedeutet, bestimmte Situationen oder Ereignisse in
einen anderen Zusammenhang zu setzen, um ihnen dadurch eine andere Bedeutung zu
verleihen. Wenn wir Reframing anwenden, haben wir vorher bewusst entschieden,
dass wir eine Situation nicht mehr als belastend, schrecklich oder nervig
bewerten und empfinden wollen. Diese Technik ist hilfreich, um z.B. eine
wichtige Erkenntnis oder Erfahrung daraus zu gewinnen oder das subjektive
Belastungsempfinden von Erlebtem zu mindern.
Im sogenannten „ABC Modell“ von Albert Ellis, das u.a. auch in der kognitiven
Verhaltenstherapie angewendet wird, wird beschrieben, wie man einer Situation
(A) eine neue Bedeutung (B) zuweist, um emotional oder auf der Verhaltensebene
anders darauf zu reagieren (C). Das ist im Grunde die Aufsplittung von
Reframing in drei kleine Schritte.
Können Sie uns zwei drei Situationen beschreiben, in denen Sie Reframing empfehlen würden?
Reframing würde ich als allererstes für den Bereich der persönlichen Stressbewältigung empfehlen. Täglich müssen wir mit bestimmten Stressoren einen Umgang finden: Das Kind hat verschlafen, auf dem Weg zur Arbeit stecken wir unvorhergesehen in einem Stau fest, der Chef ist genervt, die Kantine hat geschlossen, der Partner wird oder ist krank etc. In Situationen, die uns nicht existenziell bedrohen, oder die uns nicht vor grundlegende Lebensfragen stellen (wie bestimmte Erkrankungen, Tod eines geliebten Menschen, Arbeitsplatzverlust) können wir beginnen, Reframing anzuwenden.
Wann oder in welchen Situationen hilft Reframing hingegen nicht?
Für lebensverändernde Ereignisse würde ich Reframing definitiv nicht empfehlen, schon gar nicht für „Einsteiger“. Natürlich kann es trotzdem hilfreich sein, aber maximal als ergänzende Methode zu tiefergehenden Maßnahmen. Wer gerade einen geliebten Menschen verloren hat, der muss erst einmal seine Trauer erleben und durch sie hindurchgehen. Das kann dauern und darf es auch. Eine mentale Technik einzusetzen um die eigenen Gefühle womöglich besser nicht spüren zu müssen, ist falsch verstandenes Reframing.
Mögliche Erkenntnisse belastender Ereignisse stellen sich meist erst viel später ein, zum Beispiel dass man erst dadurch in die Lage versetzt wurde, wesentliche Dinge im eigenen Leben zu verändern, die einen vorher unglücklich gestimmt haben. Oder wenn der Arzt soeben eine sehr belastende Diagnose gestellt hat, ist es meist vollkommen unpassend, diese nicht ernst zu nehmen und mit einer anderen Bewertung darüber hinweg zu gehen. Besonders als Angehöriger oder Freund. Dann gilt es für einen als Betroffenen erst einmal, diese Diagnose zu verdauen und schrittweise zu schauen, was einem helfen könnte, alle Kräfte für eine hoffentlich in Aussicht gestellte Genesung, oder zumindest Krankheitsbewältigung, zu mobilisieren.
Haben Pessimisten Reframing nötiger als Optimisten? Inwiefern, inwiefern nicht?
Das ist eine spannende Frage! Ich würde sagen, dass keine
der beiden genannten Gruppen Reframing nötiger hat als die andere. Es fällt der
Gruppe der Optimisten lediglich leichter, sich darin zu üben und Erfolge zu
verzeichnen als der der Pessimisten.
Außerdem glaube ich, dass die Unterscheidung der Menschen in lediglich diese
zwei Kategorien, Schwierigkeiten mit sich bringt. Der ständige Pessimist
braucht vielleicht viel mehr als nur ein Reframing, und der Optimist muss
vielleicht aufpassen, dass er die Welt nicht nur in rosaroten Wolken zeichnet. Dazwischen gibt es, wie so oft im Leben,
zahlreiche Abstufungen, die teilweise auch ineinander übergehen.
Auch ein Optimist kann Dinge kritisch oder besorgt sehen, sowie ein Pessimist
in der Lage sein kann, sich an einer Kleinigkeit zu erfreuen.
Mit welchen konkreten Tools oder Taktiken, schaffe ich es Reframing im Alltag wirklich (!) umzusetzen?
Ich habe für mich (und natürlich auch für andere Menschen) drei Hilfsfragen aufgestellt, mit denen es uns besser gelingen kann, Dingen eine andere Bedeutung zu geben.
Hilfsfrage 1: „Wie könnte ich diese Situation noch sehen?“
Hierbei überlegen wir, wie eine lebenspraktische und erfolgreiche, vielleicht
sogar optimistisch eingestellte Freundin, Kollegin oder Verwandte, die die betreffende
Situation anders bewerten würde. Sicher würde sie uns empathisch zur Seite
stehen, aber sie würde uns auch liebevoll den Spiegel vorhalten und sagen: „Du
kannst das auch so sehen:…“. Das sind die Menschen, von denen wir uns eine
sprichwörtliche „Scheibe abschneiden“ können.
Hilfsfrage 2: „Wozu könnte diese Situation gut sein?“
Wenn unser Kind sich in der Schule einen fiebrigen Infekt eingefangen hat, ist
das zuerst natürlich stressig. Sobald aber klar ist was es da ausbrütet und Sie
ggf. die notwendigen Medikamente von der
Apotheke geholt haben, geht es nach Hause und wir können vielleicht
wertschätzen, dass wir nun zwei Tage mit dem Kind verbringen und es ordentlich
verwöhnen können.
Wenn Sie im Stau stehen, können Sie sich sagen: „Es ist nur ein Stau. Ich komme
zwar zu spät zur Arbeit, aber das kann jedem passieren und ich nutze die
Situation einfach mal um durchzuatmen und die Schultern zu lockern.“ Selbst an
solch kleine Entlastungsmöglichkeiten denken wir bei Stress in der Regel nicht,
dabei liegt das im Grunde nahe, das Beste für sich rauszuholen.
Hilfsfrage 3: „Was könnte ich aus dieser Situation lernen?“
Wir können die Realität und das, was im Leben passiert, nicht rückgängig machen
oder gar ändern. Aber wir können überlegen, was uns diese Situation vielleicht
für den weiteren Weg mitgeben will an Erfahrungen oder Erkenntnissen.
Wenn wir zum Beispiel immer wieder von jemandem schlecht behandelt werden,
haben wir die Wahl, trotz allen Leidensdrucks eine bewusste Entscheidung zu
treffen. Und zwar eine Entscheidung, ob wir uns vielleicht besser abgrenzen
wollen, uns von dieser Person distanzieren oder trennen wollen, ob wir diese
Person konfrontieren oder wie auch immer. Wir können aus belastenden Situationen
immer etwas mitnehmen – wenn wir uns dafür entscheiden dass wir das so wollen.
Oder wenn wir immer wieder im selben Stau stehen, um ein etwas weniger brisantes
Beispiel zu nehmen, und diesen Stau aber nicht einfach umfahren können, dann
können wir versuchen einen Lerneffekt daraus zu ziehen. Denn der Ärger den wir
empfinden, hilft uns nicht weiter und löst auch den Stau nicht auf. Klar dürfen
wir uns auch darüber ärgern. Aber langfristig schadet zu viel Ärger dem Herz
und der Psyche. Das ist nachgewiesen. Also können wir aus dem täglichen Stau
lernen, entweder früher loszufahren, oder diesen zu nutzen um in schönen
Erinnerungen zu schwelgen, Planungen für den nächsten Urlaub oder fürs
Wochenende zu machen, uns aktiv zu entspannen und zu atmen, oder vieles mehr.
Wir haben immer die Wahl.
Wie lange dauert es bzw. wie viel Routine braucht es, bis ich Reframing im Alltag wirklich umsetzen kann? Oder muss wohlmöglich ich ein Leben lang „üben“?
Sie kennen sicherlich den Satz „Die Energie folgt der Aufmerksamkeit“. Es ist schwer zu sagen, wie lange es dauert, auch das ist individuell unterschiedlich und hängt von verschiedenen Faktoren ab, z.B. von der eigenen Überzeugung der Wirksamkeit dieser Methode, von der persönlichen Belastung unter der man vielleicht steht, oder auch davon, wie fokussiert und intensiv man sich damit beschäftigt. Wie bei allem im Leben können Sie bei regelmäßigem täglichem Trainieren schon nach wenigen Wochen Erfolge in Ihrer Stimmungslage bemerken. Da wir aber alle Menschen sind, die eingebunden sind in alles Mögliche, möchte ich gern zu einer entspannten Haltung ermuntern und deutlich machen, dass der Weg das Ziel ist. Und dass die innere Haltung und Absicht den Erfolg verstärkt.
Wenn ich Reframing anwende, mache ich mir dann nicht eigentlich was vor?
Wenn es richtig angewendet wird, ganz klar nein. Genau das ist mir ein wichtiges Anliegen, das deutlich zu machen. Es geht nicht darum, einen Pinsel mit rosa Farbe über, sagen wir mal, den Haufen Mist zu streichen. Dann ist der Haufen Mist nun rosa, aber es ist immer noch ein Haufen Mist. Der immer noch stinkt und im Weg herumliegt, um es mal so prosaisch auszudrücken.
Solange wir nicht so tun als sei der Haufen Mist ganz toll wenn er nur rosa wird, sind wir auf der sicheren Seite.
Genau darüber sollten wir uns bewusst werden oder sein:
Reframing ist nicht dazu da, den belastenden Charakter von Ereignissen besser
ignorieren zu können. Sondern zu sagen: Ja,
das ist belastend, aber ich kann flexibel und anders als bisher darauf
reagieren. Das muss weder meinen Tag noch meine Woche noch mein ganzes Leben
bestimmen.
Wenn ich durch Reframing versuche, die Dinge ständig neu zu betrachten und positiver zu sehen, macht das auf Dauer nicht krank und etwas lebensfremd?
Wie beschrieben, hilft Reframing als eine Art mentales
Training, mehr oder weniger belastende Lebensereignisse ein wenig gewappneter
und flexibler zu bewältigen. Das kann so lebensfremd nicht sein. Zumal die
Attribute „krank“ und „lebensfremd“ ebenfalls ja nur Bewertungen sind, die wir
in unserem Kopf vornehmen. Sie sind nicht die objektive und absolute Wahrheit,
denn sie stimmen nur für eine bestimmte Gruppe Menschen.
Wer Reframing für sich nicht hilfreich findet, für den gibt es zahlreiche
andere wirksame Techniken. Das sehe ich total entspannt.
Jeder darf Dinge so bewerten wie es ihm gefällt. Solange er anderen Menschen nicht
die Chance nimmt, Dinge für sich auszuprobieren und hilfreich zu finden.
Aber viele Menschen profitieren davon, eine Änderung des Blickwinkels auf
unangenehm empfundene Dinge des Alltags zu trainieren. Das mindert effektiv das
subjektive Belastungserleben. Und wer möchte nicht gelassener mit bestimmten
Situationen umgehen können…?
Was möchten Sie zum Thema Reframing noch sagen, was ich nicht gefragt habe, Sie aber erwähnenswert finden?
(Derzeit nichts, ich möchte Ihnen dieses Dokument nun gern so schnell wie möglich zusenden, damit Sie damit zeitnah weiterarbeiten können. J Vielen Dank für die anregenden Fragen!)